Hampden Estate 46%
Rum des Monats Mai 2019
Rum-Review • 1. Mai 2019
Hampden Estate – 250 Jahre jamaikanische Rum-Geschichte
Als ich vor einigen Wochen eine Einladung zu Luca Garganos erstem Auftritt in Deutschland erhielt, war die Vorfreude groß. Der Velier-Chef gilt als eine der profiliertesten Figuren der Szene und erkannte bereits vor Jahrzehnten das enorme Potenzial von Rum – und verfügt zudem über eine beachtliche Portion Charisma. Und in der Tat wurde Lucas Vortrag in der Münchner Bar „Les Fleurs du Mal“ dank seiner mitreißenden Art (und natürlich auch aufgrund der Abfüllungen, die er im Gepäck hatte) zu einem unvergesslichen Erlebnis. Einen Teil seiner Ausführungen widmete Luca den 2018 erschienenen Hampden-Abfüllungen, die wir bereits in unserem Rückblick auf das German Rum Fest 2018 als Highlight erwähnt hatten und deren Qualität sich beim erneuten Verkosten bestätigte. Erfreulicherweise handelt es sich bei ihnen (anders als bei den meisten Hampden-Abfüllungen) um Standard-Bottlings, die langfristig verfügbar sein werden. Grund genug, um den Hampden Estate Pure Single Jamaican Rum als Rum des Monats vorzustellen.
Impressionen vom Velier-Tasting in München mit Luca Gargano, Angelo Canessa und etlichen Velier-Abfüllungen
© Rum-Magazin
Der Name Hampden bringt die Augen vieler Rum-Enthusiasten zum Leuchten. Im März 2018 hatten wir den Velier Hampden 2010 LROK als Rum des Monats vorgestellt und waren begeistert. Die jamaikanische Brennerei zählt zu den besten Rumdestillerien der Welt und ist für ihre aromatischen Ester-Bomben berühmt (das höchste Mark DOK hat einen Esteranteil von bis zu 1.600 mg/l). Hampden Estate wurde Mitte des 18. Jahrhundert als Zuckerrohrplantage gegründet und blickt auf eine lange Geschichte zurück. Unter Kennern genoss Hampden seit jeher einen hervorragenden Ruf. Kurioserweise gab es bis vor wenigen Jahren so gut wie keine Hampden-Originalabfüllung. Der bei Hampden produzierte Rum wurde als Bulk-Ware für Blends sowie an unabhängige Abfüller weiterverkauft. Da die Wertschöpfung und die damit verbundenen Gewinne in Europa erzielt wurden, blieb es Hampden lange Zeit verwehrt, die Früchte der eigenen Arbeit zu ernten. Wenn überhaupt, war der Name Hampden allenfalls auf Labels meist schnell vergriffener Single Cask-Abfüllungen sichtbar.
Kontinentale vs. tropische Reifung
Aus diesem Grund fand die Reifung des importierten Hampden-Rums bisher ausschließlich in Europa statt. Unter kontinentalen Bedingungen gelagerter Rum reift aufgrund der unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse deutlich langsamer als in den Tropen gelagerter Rum. Zudem ist der sogenannte „Angel’s Share“ (der Anteil des Fassinhalts, der jährlich verdunstet) in Europa sehr viel geringer als in der Karibik. Grob geschätzt verlaufen die Reifungsprozesse in Jamaika ca. drei- bis viermal so schnell wie zum Beispiel in Schottland. Entsprechend höher ist auch die Verdunstung und der damit einhergehende Verlust an die „Engel“. Ein sieben Jahre in den Tropen gereifter Rum kann somit durchaus mit einem 25-jährigen kontinental gereiften Rum mithalten. Zum Nachteil des tropisch gereiften Rums ist allerdings die Angabe, wo der Rum gelagert wurde, so gut wie nie auf dem Label ersichtlich. Viele (von Single Malt Whisky konditionierte) Käufer sind der Meinung, dass ein ordentlicher Tropfen mindestens zwölf Jahre oder mehr auf dem Buckel haben muss. Eine siebenjährige Reifung lässt sie nur müde abwinken. Dabei werden hier Äpfel mit Birnen verglichen – ein Missstand, den Luca Gargano in der jüngeren Vergangenheit immer wieder thematisiert hat.
Ein neues Kapitel in der Hampden-Geschichte
Im Jahr 2009 wurde Hampden Estate von der Hussey-Familie übernommen. Damit einher ging die Entscheidung, den Rum in Zukunft nicht mehr ausschließlich ungereift weiterzuverkaufen, sondern Teile der eigenen Produktion bei Hampden reifen zu lassen. Die ersten Fässer wurden im Jahr 2010 befüllt und 2018 auf den Markt gebracht. Insofern stellen die beiden im vergangenen Jahr erschienenen Hampden-Originalabfüllungen eine Premiere dar: vollständig tropisch gereifter Hampden-Rum unter Kontrolle des Produzenten – ein neues Kapitel in der Geschichte der Brennerei (die zuvor lediglich den Hampden Rum Fire und Hampden Rum Estate Gold veröffentlicht hatte). Wie so oft hatte auch hier Luca Gargano seine Hände im Spiel. Gemeinsam mit dem französischen Importeur La Maison du Whisky (LMDW) übernimmt er den weltweiten Vertrieb, wobei der Rum eindeutig als Produkt von Hampden deklariert wird.
Mit Vehemenz vertritt Gargano die Auffassung, dass karibischer Rum auch vollständig im jeweiligen Herkunftsland gereift werden sollte. Bei anderen Spirituosen wie Scotch Single Malt Whisky oder französischem Cognac sei dies schließlich ebenso selbstverständlich. Die kontinentale Reifung in Europa und die damit verbundene Wertschöpfung zugunsten der Importeure hält er für Relikte des Kolonialismus. Eine Argumentation, über die es durchaus kritisch nachzudenken gilt.
Hampden Estate Pure Single Jamaican Rum
Die Originalabfüllungen von Hampden erscheinen in zwei Varianten: einer 46%-Abfüllung und einer Overproof-Variante mit 60%. In beiden Fällen handelt es sich um denselben Rum, der mit unterschiedlichen Alkoholstärken abgefüllt wurde. Im direkten Vergleich geben wir der 46%-Variante den Vorzug, da hier die Aromen harmonischer und differenzierter zur Geltung kommen.
Für die beiden Hampden-Abfüllungen gelten die gleichen Standards wie für Velier-Veröffentlichungen. Dementsprechend hält das Label eine Vielzahl an Informationen bereit: Wir erfahren, dass der Rum nicht gefärbt wurde und keinerlei Zusätze enthält. Es handelt sich um einen reines Pot Still-Destillat, das mindestens sieben Jahre lang unter tropischen Bedingungen reifte. Wie bei Hampden üblich, fand eine bis zu 15 Tagen dauernde Fermentation statt. Sie vollzieht sich mit natürlichen „wilden“ Hefen, die im Fermentationsraum leben und sich dort reproduzieren. Hampden nutzt ausschließlich natürliches Quellwasser für die Rumherstellung.
Keine Angaben findet man zu den Marks, aus denen sich der Blend zusammensetzt. Vermutlich handelt es sich um die drei Marks OWH, LROK und DOK.
Hampden Estate 46% – Tasting
In der Nase grüßen überreife Früchte – Banane, Mango und Apfel – mit einem Einschlag in Richtung Fruchtbonbons. Dazu Heu mit wilden Kräutern. Die typischen Esternoten mit Lack und Klebstoff sind vorhanden, allerdings nicht so stark ausgeprägt wie bei brachialeren Hampdens. Deutlich spürbar ist der Fasseinfluss mit Eichenwürze und einem Hauch Vanille. Zu Zimt, Piment, Nelke und Pfeffer gesellen sich frischer Hefeteig und Marzipan. Darunter findet sich schwarzer Tee und eine Umami-hafte Note von Brühwürfeln.
So großartig das Bouquet ist, umso mehr lässt der erste Schluck stutzen – wo sind all die schönen Früchte hin? Ein wenig Banane, Pfirsich und grüner Apfel lassen sich erahnen, allerdings deutlich schwächer als in der Nase. Umso stärker schlägt das Eichenholz mit einer deutlichen Adstringenz durch, die durch eine pflanzliche Note ergänzt wird. Dazu verbranntes Karamell, Walnuss, Tabak und Leder. Neben einer leichten Pfefferschärfe finden sich außerdem Ingwer und ein wenig Zimt. Der Rum hat zwar eine angenehme Textur, ist aber sehr trocken und wirkt fast ein wenig „staubig“. Mir persönlich fehlt die schöne Fruchtigkeit des Bouquets, sodass der Eindruck im Mund gegenüber der Nase abfällt. Im langen Finish erscheinen Eichenholz und dunkle Schokolade mit einem hohen Kakaoanteil, dazu bunter Pfeffer und Minze.
Fazit
Der Hampden Estate 46% ist ein gemäßigter, überaus gut trinkbarer Hampden, der zugleich als idealer Einstieg in diesen Stil geeignet ist. Er hat Persönlichkeit und eine ordentliche Prise „Funk“, ist aber dennoch zugänglich. Die charakteristischen Ester-Noten sind vorhanden, hauen aber nicht voll auf die Zwölf, sondern sind elegant eingebunden. Herausfordernd, aber nicht überfordernd.
Dieser Rum kann sowohl Neulingen als auch fortgeschrittener Rum-Trinkern empfohlen werden – ein Spagat, den nicht viele Rums derart souverän schaffen. Und das alles ohne künstliche Aufhübschung, sondern auf Grundlage handwerklicher Qualität. Zu einem vernünftigen Preis und dauerhaft erhältlich.
Eine noch höhere Bewertung wäre möglich gewesen, wenn der Hampden im Mund einen ebenso starken Eindruck hinterlassen hätte wie in der Nase. Aber auch so kann dieser Rum bedenkenlos als Startpunkt einer jamaikanischen Rum-Reise empfohlen werden, von dem aus man sich (wenn man denn möchte) bis in höchste DOK-Gefilde aufschwingen kann. Man kann aber auch einfach beim Hampden Estate 46% verbleiben und sich an seiner hohen Qualität erfreuen.
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