Velier Hampden 2010 LROK
Rum des Monats März 2018
Rum-Review • 2. März 2018
Der „Rolls-Royce“ des Rums?
Gibt es einen „Rolls-Royce“ der Spirituosen? Im Whisky-Bereich hat hat sich dieser Titel für Macallan eingebürgert, was einerseits für die (allen Non Age Statement-Exzessen der jüngeren Vergangenheit zum Trotz) hohe Qualität der Produkte, andererseits für ein gutes Marketing der Schotten spricht. Gäbe es einen Rolls Royce des Rums, so wäre es wohl das in Genua ansässige Unternehmen Habitation Velier. Ursprünglich im Jahr 1947 als kleiner Familienbetrieb gegründet, wurde es in den 1980er-Jahren von Luca Gargano übernommen. Der umtriebige Velier-Chef zählt zu den interessantesten Persönlichkeiten der Branche und gilt neben Richard Seale von Foursquare als Vorkämpfer für kompromisslose Qualität. Velier-Rum ist absolutes High-End und zeichnet sich durch ein Höchstmaß an Transparenz aus. Auf jeder Flasche finden sich all jene Informationen, die man sonst meist vergeblich sucht. Velier verfolgt einen Ansatz konsequenter Authentizität und verzichtet auf jegliche Zusätze und Färbung. Die Rums werden meist in Fassstärke abgefüllt, nicht kältefiltriert und vollständig in der Karibik gelagert. Rum pur also, aus den besten Destillerien der Welt. Ein ausführliches Porträt von Velier findet sich (auf Englisch) bei The Lone Caner.
Transparenz in Reinform
Ein typisches Velier-Label enthält folgende Informationen:
- Name der Destillerie bzw. der Brennanlage
- Herkunftsland
- Abbild der Brennblase
- Alter, Jahr der Destillation und der Abfüllung
- Alkoholgehalt
- Anteil des Angel’s Share, also des Anteils, der während der Reifung verdunstete
- Bei manchen Rums, z. B. aus Jamaika: Anteil der Ester bzw. „Congeners“ (Substanzen, die während des Fermentationsprozesses entstehen das Aroma des Rums maßgeblich bestimmen)
Garganos Ansatz steht für höchstmögliche Transparenz und Qualität, aber auch für einen pädagogischen Anspruch: Er möchte das Augenmerk auf das Handwerk hinter dem Endprodukt lenken und dazu beitragen, beim Konsumenten ein höheres Qualitätsbewusstsein zu schaffen. Dafür arbeitet Velier direkt mit Produzenten in der Karibik zusammen.
Pure Single Rum
Beim hier vorgestellten Velier Hampden 2010 LROK handelt es sich um einen „Pure Single Rum“. Nach der von Luca Gargano vorgenommenen Einteilung steht das „Pure“ steht für Rum, der ausschließlich in Pot Stills destilliert wurde, das „Single“ für Rum aus einer einzigen Destillerie. Pot Still-Rum garantiert aus Garganos Sicht ein Maximum an Qualität, Komplexität und Handwerk. Zugleich ist die Pure-Single-Rum-Reihe der Versuch, die übliche Kategorisierung des Rums nach Alter bzw. Lagerung hinter sich zu lassen und den Fokus stattdessen auf die Destillationsmethode und den Produktionsprozess zu richten. Im Grunde genommen geht es Velier also darum, Qualitäts- und Transparenzstandards zu etablieren, wie sie z. B. im Whisky- oder Cognacbereich schon lange existieren und beim Rum nach wie vor (weitgehend) fehlen.
Velier Hampden 2010 LROK
Wenn Velier einen Rum aus der jamaikanischen Destillerie Hampden Estate herausbringt, darf man gespannt sein. Jamaikanische Rums sind an sich schon Aromabomben mit zahlreichen Frucht- und Esternoten, Hampden gilt jedoch selbst für jamaikanische Verhältnisse als besonders markanter Vertreter. Was die Hampden-Rums ausmacht, ist die extrem lange Fermentation der Melasse unter Einsatz spezieller Hefen. Für den Gärungsprozess werden Skimming (der Schaum, der bei der Fermentation entsteht) und Dunder (der Bodensatz der Fermentation) zugegeben, also Substanzen aus dem vorherigen Durchlauf. Dieses aufwändige Verfahren wird dadurch auf die Spitze getrieben, dass zusätzlich exotische Früchte hinzugefügt und mitvergoren werden. Das abenteuerliche Gebräu wird schließlich in alten Pot Stills destilliert, was den Rum kräftig und intensiv macht. Und zu einem bombastischen Aromenspektakel führt.
Der Velier Hampden 2010 LROK hat einen Bruder namens Velier Hampden 2010 HLCF, der im Vorjahr veröffentlicht wurde und mittlerweile fast vollständig vergriffen ist. Dieser Rum wurde bei Eye for Spirits als beste Spirituose 2017 ausgezeichnet. Die Buchstabenkürzel LROK und HLCF sind von Hampden definierte Marks und geben den Estergehalt des Rums an. LROK steht für „Light Rum Owen Kelly“ (200-400 gr/laa Ester), HLCF für „Hampden Light Continental Flavoured“ (500-700 gr/laa Ester). Über die Sinnhaftigkeit diese Marks kann man geteilter Meinung sein (unter „light“ werden die meisten etwas anderes verstehen) – über die Qualität des Rums jedoch nicht.
Tasting
Unser Rum des Monats, der sechs Jahre in Ex-Bourbon Fässern gereifte Velier Hampden 2010 LROK, enthält also einen geringeren Esteranteil als der HLCF, was allerdings keineswegs bedeutet, dass er mit Aromen geizen würde. Ganz im Gegenteil handelt es sich um eine Geschmacksexplosion erster Güte. In der Nase tanzen die Aromen Samba (bzw. Reggae): Intensive exotische Früchte wie überreife Banane, Ananas, Guave, Passionsfrucht und Papaya liefern sich einen Kampf mit den Ester-typischen Noten von Süßlich-Organischem, Vergorenem und Lösungsmittel. Nach einiger Zeit im Glas riecht man deutlich Rosinen und Trockenfrüchte. Auch Grapefruit, Kräuter und Spargel lassen sich ausmachen. Zudem kommt der Einfluss des Bourbon-Fasses zum Vorschein: Eiche und Vanille, dazu Marzipan und Gewürze wie Kardamom. Der Alkohol ist spürbar, aber sehr gut eingebunden. Mit einem Wort: Wow!
Im Mund machen sich die 67 % Alkohol bemerkbar. Charakteristisch ist das Wechselspiel zwischen einer natürlichen Süße einerseits und Bitternoten (Adstringenz) andererseits, was an Schokolade mit sehr hohem Kakaoanteil erinnert. Auch die Fruchtnoten sind präsent, allerdings nicht mehr so deutlich wie im Bouquet. Dazu eine extreme Würze, die an Teer erinnert. Der Abgang ist intensiv, die Gerbstoffe des Eichenfasses hallen lange Zeit nach.
Dieser Rum ist anziehend und respekteinflößend, muskulös und funky zugleich. Die 67 Volumenprozent Alkohol sind einerseits eine echte Ansage und erlauben problemlos eine Zugabe von Wasser. Andererseits kann man den Rum auch erstaunlich gut in Fassstärke trinken. In jedem Fall lohnt es sich, in dieser Hinsicht ein wenig zu experimentieren.
Der Velier Hampden 2010 LROK ist kein Rum für Einsteiger. Er ist erwachsen und herausfordernd. Er ist allerdings auch kein Estermonster, das einen vollständig erschlägt. Neugierige, die wissen möchten, welche Möglichkeiten die Welt des Rums jenseits gefälliger Süßdestillate bereithält, können sich mit dem Velier Hampden auf eine echte Entdeckungsreise begeben. Jeder, der sich für Rum interessiert und in etwas komplexere Gefilde aufbrechen will, sollte sich im Sortiment von Velier umsehen und vor allem den fantastischen Velier Hampden LROK probieren. Viele Stunden faszinierender Aromenvielfalt sind garantiert.
Rum-Score: 92/100
Velier Hampden 2010 LROK
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