Appleton Estate Rare Blend 12
Rum des Monats September 2019 | Test | Review
Rum-Review • 2. September 2019
Viel Rum für wenig Geld
Als Rum-Aficionado ist man stets auf der Suche nach den heißesten Neuerscheinungen und den rarsten Einzelfassabfüllungen. Dabei gerät mitunter in Vergessenheit, dass auch ein Standard-Rum seine Vorzüge hat: Er ist dauerhaft verfügbar, das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und man weiß, was man bekommt. Mangel an Exklusivität kann eben auch ein Vorteil sein.
Paradoxerweise ist guter Standard-Rum – vor allem im lokalen Einzelhandel – ein durchaus rares Gut. Während man in jedem besser sortierten Supermarkt ordentlichen Single Malt Whisky zu vernünftigen Preisen bekommt, ist dies bei Rum eher die Ausnahme – sofern man überhaupt etwas jenseits von Bacardi und Captain Morgan findet. Umso mehr lohnt es sich, gezielt nach solchen Abfüllungen Ausschau zu halten.
Appleton Estate – die älteste Destillerie Jamaikas
Aus diesem Grund stellen wir im Rum-Magazin immer wieder empfehlenswerte Standards vor, die hohe Qualität und einen fairen Preis vereinen – wie zum Beispiel den Doorly’s 12 Year Old. In diese Kategorie gehört zweifellos auch unser Rum des Monats September, der Appleton Estate Rare Blend 12. Appleton produziert seit (mindestens) 1749 Rum und ist damit die älteste Destillerie Jamaikas, die seit ihrer Gründung ohne Unterbrechung in Betrieb ist. Die Ursprünge des Anwesens reichen bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Seit 1916 gehört Appleton zum Unternehmen J. Wray & Nephew (das auch den Wray & Nephew White Overproof herstellt), welches wiederum im Jahr 2012 von Campari gekauft wurde. Master Blenderin bei Appleton ist seit 1997 Joy Spence, bemerkenswerterweise als erste Frau überhaupt in dieser Position.
Das Appleton Estate liegt im Nassau Valley und produziert neben Rum auch Zucker. Das Zuckerrohr wird auf einer Fläche von 45 km² angebaut und in einer eigenen Raffinerie verarbeitet. Für die Rumherstellung verwendet man die anfallende Melasse, die unter Verwendung eigenen Zuchthefen über 36 Stunden lang fermentiert wird. Die Destillation erfolgt sowohl in Pot als auch in Column Stills. Alle Schritte des Produktionsprozesses – Anbau des Zuckerrohrs, Wasser aus eigener Quelle, Fermentation, Destillation und Lagerung – liegen in einer Hand und erlauben Appleton damit die vollständige Kontrolle über das eigene Produkt.
Rum kennt keine Regeln? In Jamaika durchaus!
Hervorzuheben ist die Tatsache, dass die jamaikanischen Rum-Regularien strenger sind als in vielen anderen Ländern – zumindest dann, wenn der Rum den GI-Regeln (GI steht für Geographical Indications) entsprechen soll. So ist die Zugabe von Zucker oder anderen Additiven verboten. Zudem muss die auf dem Label abgedruckte Jahreszahl dem Mindestalter der im Blend enthaltenen Rums entsprechen – und nicht etwa (wie bei vielen „Solera“-Vertretern) dem Höchstalter. Diese Qualitätskriterien sind sehr zu begrüßen – und in der Welt des Rums leider immer noch alles andere als selbstverständlich. Appleton macht übrigens kein großes Aufheben darum und kommuniziert seine hohen Standards nicht einmal auf den Flaschenlabeln.
Appleton Estate Rare Blend 12
Appleton, das sei vorweggesagt, bedient nicht die klassischen Stereotype jamaikanischen Rums – zumindest nicht, wenn man damit typische Ester-Aromen wie vergorene Früchte, Lack und Klebstoff assoziiert. Anders als die Erzeugnisse von Hampden Estate oder Worthy Park zeigen sich Appletons Abfüllungen von einer weniger brachialen Seite, sind zugänglicher und Einsteiger-freundlich. Allerdings ohne die Tricksereien vieler Rums „spanischen“ Stils.
Im Glas fällt die dunkle Farbe des Appleton Estate Rare Blend 12 auf. Zwölf Jahre tropischer Reifung hinterlassen ihre Spuren, allerdings wird auch Zuckercouleur eingesetzt, sodass die Farbe (wie so oft) nicht allzu viel aussagt. Die Bestandteile des aus Melasse destillierten Blends bestehen aus Pot und Column Still-Rums, die getrennt gelagert und erst am Ende vermählt wurden. Sie haben ein minimales (!) Alter von 12 Jahren. Die Reifung erfolgt ausschließlich auf Jamaika in Ex-Bourbon-Fässern aus amerikanischer Weißeiche. Der Appleton 12 wird mit 43 Volumenprozent Alkohol abgefüllt.
Appleton Estate Rare Blend 12 – Tasting
Ich kann mich daran erinnern, dass meine erste Begegnung mit dem Appleton Estate Rare Blend 12 leichte Irritationen auslöste: Jamaika? Funk und Ester halten sich jedenfalls gegenüber anderen jamaikanischen Destillaten deutlich zurück. Vielmehr liegt eine dunkle, würzige Süße über allem: Trockenfrüchte (getrocknete Aprikosen, Datteln, Backpflaumen), reife Banane, brauner Zucker, Orange und Waldhonig. Neben diesen süßlichen Aromen findet sich eine würzige Komponente im Glas: Altes Ledersofa, Pfeifentabak, Kaffee, Muskat, Kardamom, Eichenholz und Kakao. Darunter dann auch leichte Esteranklänge mit einem Hauch von Jod und Teer. Für einen Rum dieser Preisklasse ist das Bouquet ziemlich großes Kino – und auch sehr eigen.
Im Mund bleibt das charakteristische Wechselspiel zwischen Süße und Würze bestehen: Lakritze, Honig und eine herbe Süße von Vollrohrzucker, die zunehmend in verbranntes Karamell übergeht. Dazu viel Eichenholz, altes Leder und Bittermandeln. Gewürze wie Zimt, Anis und Nelken lassen ein wenig Weihnachtsstimmung aufkommen. Dazu wieder die Kakao-, Tabak- und Kaffeenoten. Die Fruchtnoten bleiben dezent im Hintergrund, ein wenig Orange, Apfel und Trockenfrüchte sind erahnbar. Der Körper des Appleton 12 ist insgesamt eher auf der leichten Seite angesiedelt, ein wenig mehr Punch hätte er durchaus vertragen.
Das mittellange Finish wiederholt die Haupteindrücke aus dem Gaumen mit dunkler Schokolade, Karamell, Kaffee, Nuss und vor allem Eiche. Die Tannine und ein wenig Räucherschinken hallen am längsten nach.
Fazit
Der Appleton Estate Rare Blend 12 ist ein vorbildlich produzierter Rum mit einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis. Er eignet sich für Einsteiger ebenso wie als hochwertiger Standard-Rum für die (Haus-)Bar. Sein Aromaprofil ist markant und vielseitig, dabei aber immer zugänglich und – im besten Sinn – gefällig. Wer allerdings auf der Suche nach einem Jamaika-Repräsentanten mit etwas mehr Funk ist, dürfte mit dem Hampden Estate 46% besser bedient sein.
Unter dem Strich bekommt man mit dem Appleton 12 viel Rum für wenig Geld. Er funktioniert pur ebenso gut wie in Cocktails (z. B. im Mai Tai oder im Rum Old Fashioned) – und kostet so wenig, dass man ihn auch dafür guten Gewissens verwenden kann.
