S.B.S. Brazil / Barbados
Rum des Monats Juni 2019
Rum-Review • 1. Juni 2019
Dänischer Rum-Enthusiasmus
Im Jahr 2008 besuchen vier dänische Freunde eine Whiskymesse. Eigentlich steht ihnen der Sinn nach schottischem Single Malt, doch als sie kurz vor Verlassen der Messe Bekanntschaft mit Rum machen, ist ihre Begeisterung geweckt – und die Idee geboren, selbst Rum zu importieren und abzufüllen. Sie erwerben ein Fass mit Trinidad-Rum und verkaufen im Jahr 2009 ihre ersten eigenen Abfüllungen. So lautet – in Kurzform – die Gründungsgeschichte des dänischen Abfüllers 1423 (die dem Autor dieser Zeilen schon deshalb gefällt, da sie einige Parallelen zu seiner eigenen Rumsozialisation aufweist; nun ja, bis auf dem Teil mit der Unternehmensgründung).
Ein Jahrzehnt später ist aus der Idee einiger Freunde ein veritables Unternehmen mit einem breit gefächerten Sortiment geworden, das weit über Rum hinausgeht. Das Team um Thomas, Joshua, Glenn und Parminder ist mit viel Leidenschaft bei der Sache und wird seit letztem Jahr von Nina Vorster unterstützt, die sich um den deutschen Markt kümmert. 1423 vertreibt mittlerweile etliche Rum-Marken in Europa: angefangen von Einsteiger-Rum wie Ron Esclavo und Compañero bis hin zu den großartigen Abfüllungen der jamaikanischen Brennerei Worthy Park Estate. Besonders spannend ist die S.B.S. (Single Barrel Selection) Serie, die im Jahr 2015 ins Leben gerufen wurde – limitierte Einzelfassabfüllungen von renommierten (und mitunter auch exotischen) Destillerien, die oftmals noch ein besonderes Finish in Dänemark erhalten.
Soeben erschienen sind sechs Neuzugänge der S.B.S.-Reihe: Jamaica 2008, Cuba 2013, Panama 2010, Trinidad 1993 (ein Caroni, der nicht zu Unrecht den Beinamen „The Beast“ erhalten hat), Colombia 2009 und ein eine exotisch anmutende Brazil / Barbados-Abfüllung ohne Altersangabe. Letztere fanden wir so ungewöhnlich und reizvoll, dass wir dieses südamerikanisch-karibische Jointventure als Rum des Monats vorstellen möchten.
S.B.S. Brazil / Barbados
Über die Herkunft des S.B.S. Brazil / Barbados erfährt man leider nur wenig: Es handelt sich um einen Blend aus Rum einer ungenannten brasilianischen Destillerie und einer ungenannten Destillerie aus Barbados. Wohlgemerkt: Wir sprechen hier tatsächlich von brasilianischem Rum, nicht etwa Cachaça. Genauere Informationen über die Destillerien oder das Alter des Rums gibt es jedoch nicht. Auf der 1423-Website steht zumindest, dass der Blend in einem einzelnen Fass reifte, ehe er das Finish erhielt. Da die ursprünglichen Rums nicht im gleichen Jahr destilliert wurden, hat man auf eine Jahresangabe verzichtet. Was sich dem Label entnehmen lässt: Der Rum wurde aus Melasse in Column Stills destilliert, in einem Moscatel-Fass nachgereift und mit einem Alkoholgehalt von 52% vol. abgefüllt. Er erscheint in einer Auflage von 323 Flaschen.
Über die Bestandteile des Blends und deren Herkunft kann also nur spekuliert werden. Bei dem Barbados-Anteil wird es sich wohl entweder um Rum aus der West Indies Rum Distillery oder der Foursquare Distillery handeln. Bezüglich der Herkunft des brasilianischen Rums bin ich völlig überfragt, da dies ein Gebiet ist, mit dem ich mich bisher noch nicht beschäftigt habe. Von diversen unabhängigen Abfüllern kursieren Abfüllungen der EPRIS Distillery (u.a. von Compagnie des Indes, Cadenhead, Duncan Taylor und anderen), sodass diese unter Umständen für den Brasilien-Anteil zuständig sein könnte – aber das ist, wie gesagt, Spekulation.
Ich persönlich finde es sehr bedauerlich, wenn Single Cask-Rums derart mit Informationen geizen. Schließlich besteht der Reiz solcher Abfüllungen ja gerade in ihren individuellen Merkmalen und den Details ihrer Herkunft (Destillerie, Art der Fässer, Alter etc.). Bemerkenswerterweise wird überhaupt nur bei einer einzigen der sechs S.B.S.-Neuveröffentlichungen die Destillerie angegeben (Caroni). Es darf zwar vermutet werden, dass dies eher den Auflagen der Produzenten als mangelndem Willen zur Transparenz seitens 1423 geschuldet ist. Dennoch ist dies in meinen Augen ein unbefriedigender Umstand, zumal in diesem Produkt- und Preissegment.
Doch wenden wir uns nun dem Inhalt der Flasche zu.
S.B.S. Brazil / Barbados – Tasting
In der Nase machen sich zunächst eingelegte Birne, Grapefruit, Karamell und etwas schärfere, grasig-vegetale Noten bemerkbar, die an Rhum Agricole oder Obstbrand erinnern. Zu Fruchtaromen von Traubensaft und getrockneten Aprikosen gesellt sich feuchte Pappe, dazu leichte Anklänge von Kokos. Darüber hinaus verfügt der Rum über ein ausgeprägt würziges Aromaspektrum mit Sandelholz, Tabak und Waldhonig. Dieses wird zunehmend intensiver, je länger der Rum im Glas ist. Insgesamt ein ziemlich interessantes Bouquet, das (erwartungsgemäß) von ganz unterschiedlichen Einflüssen geprägt ist: Einerseits die Obstbrandnoten (vermutlich der Brasilien-Anteil), andererseits die süß-fruchtigen Aromen des Mosactel-Fasses, darunter die Barbados-Grundierung.
Im Mund machen süße Aprikosen den Auftakt, gefolgt von Karamell und Honig. Darauf folgen Holzwürze und Zartbitternoten, die am Ende in eine angenehme Schärfe übergehen, bei der uns wieder die Obstbrandnoten mit Gras und Kräutern begegnen. Das lange Finish ist geprägt von Frucht, Würze und schön eingebundenen Zartbitternoten. Ganz am Ende blitzt nochmals Karamell auf.
Fazit
Der S.B.S. Brazil / Barbados ist ein ebenso ungewöhnlicher wie interessanter Rum. Und ein Rum, der vermutlich polarisieren wird: Für Puristen mag die Brasilien-Barbados-Mixtur in Kombination mit Moscatel-Finish ein wenig zu viel des Guten sein. Wer sich hingegen für Experimente dieser Art erwärmen kann, wird von der Abfüllung nicht enttäuscht werden. Die unterschiedlichen Elemente bilden eine spannungsvolle Dynamik und erzeugen einen Rum mit vielen Facetten und Aromen. Insofern ist der S.B.S. Brazil / Barbados nicht nur ein erfrischend anderer Rum, sondern zeugt auch von der großen Bandbreite und Vielfalt dieser Spirituose.
Vielen Dank an 1423 für die Bereitstellung der sechs S.B.S.-Samples!