N. Kröger PX Cask Barbados
Rum des Monats Dezember 2018
Rum-Review • 1. Dezember 2018
Süß oder nicht süß – das ist hier die Frage
Es gibt kaum etwas Schöneres, als sich intensiv mit einem komplexen und herausfordernden Rum zu beschäftigen und seine vielfältigen Nuancen zu ergründen. Doch nicht immer steht einem der Sinn nach einem jamaikanischen Estermonster oder einem vor Holz knarzenden Enmore. Es gibt auch Momente, in denen man einfach Lust auf ein unkompliziertes Tröpfchen zur Entspannung hat – ein klassischer Fall für den „Sipping-Rum“ (bei dem es sich, ähnlich wie bei „Premium-Rum,“ um einen mitunter überstrapazierten und auch ominösen Begriff handelt). Oft versteht man darunter die üblichen Verdächtigen wie Botucal Reserva Exclusiva, El Dorado 12 oder Plantation Barbados XO. Klassische Einsteiger-Rums also, die süß und gefällig schmecken und häufig auch denjenigen zusagen, die mit Spirituosen sonst eher weniger anfangen können.
Allerdings stehen die genannten Kandidaten (neben vielen anderen) auch immer wieder in der Kritik, da ihre Süße und Gefälligkeit auf Zusätzen, insbesondere auf Zuckerung beruht. Kaum ein Blog oder eine Facebook-Gruppe, in denen dieses Thema nicht ausgiebig diskutiert wird (exemplarisch und mit einer sehr profilierten Meinung seien dieser Beitrag und sein Update auf schlimmerdurst genannt). Die einen sehen im Süßrum ganz generell ein Sakrileg, das geradewegs in die ewige Verdammnis der „Zuckerhölle“ führt; andere vertreten demgegenüber eine „Hauptsache es schmeckt“-Attitüde. Über Geschmack kann man bekanntermaßen sehr unterschiedlicher Meinung sein, zwei Punkte müssen allerdings in der Tat kritisch betrachtet werden: der Mangel an Transparenz einerseits, die Verschleierung minderer Qualität durch Zusätze andererseits. Bedauerlicherweise ist es gesetzlich (noch) nicht vorgeschrieben, zugefügten Zucker unmissverständlich auf dem Label zu deklarieren (ganz zu schweigen von anderen Additiven, die manchen Rum als Spiced Rum oder Spirituose auf Rumbasis klassifizieren würden). Wünschenswert wäre daher eine Pflichtangabe auf dem Etikett, aus der klar und eindeutig hervorgeht, was sich außer Rum noch in der Flasche befindet. Die (bewusste!) Entscheidung, was man da eigentlich kauft, läge dann beim Käufer. Das Problem scheint mithin weniger der Süßrum an sich (den man mögen kann oder eben nicht) als die Irreführung des Konsumenten – insbesondere dann, wenn die Zuckerung lediglich dazu dient, eine mangelhafte Qualität des Rums zu kaschieren und das Produkt auf diese Weise mit einfachen Mitteln aufzuhübschen.
N. Kröger PX Cask Barbados
Unser Rum des Monats, der N. Kröger PX Cask Barbados, ist ganz eindeutig ein gefälliger und süßer Rum – und geht in Hinblick auf die benannte Problematik doch einen eigenen (und aus unserer Sicht besseren) Weg. Nicolas Kröger hat eine ausgesprochen spannende Vita aufzuweisen. Bereits mit 15 Jahren war sein Interesse an Aromen und Spirituosen so ausgeprägt, dass er von seinem Großvater eine Pot Still geschenkt bekam und sich das Destillieren kurzerhand selbst beibrachte. Aufgrund seiner bemerkenswerten sensorischen Fähigkeiten machte er schon mit 16 Jahren eine Ausbildung zum Sommelier. Mit 20 Jahren arbeitete er als Bartender im Ritz London (und war damit der jüngste Bartender im Ritz aller Zeiten) und parallel für die Scotch Malt Whisky Society. Danach war er in einem Top-Resort auf den Malediven tätig und absolvierte eine Butlerausbildung in Südafrika. Zurück in Deutschland übernahm er für einige Zeit das Rum-Depot in Berlin und gründete schließlich im Jahr 2014 die N. Kröger Fine Sprits. Unter diesem Label erscheint seit Kurzem auch der PX Cask Barbados.
Bei ihm handelt sich um einen Blend aus Barbados-Rums der renommierten Destillerien Foursquare und West Indies Rum Distillery. Das Alter der verwendeten Rums liegt zwischen 5 und 12 Jahren. Dieser Blend wird für 3-4 Wochen in ehemaligen Bourbonfässern nachgereift, in denen sich zuvor Pedro Ximénez-Sherry (eine extrem süße Sherry-Art) befand. Die Impfung der Fässer nimmt Nicolas in Deutschland selbst vor. Da die PX-Fässer in noch feuchtem Zustand mit dem Rum befüllt werden, geben sie ein hohes Maß an Süße ab. Auch hier findet also eine additive Süßung statt – allerdings eine, die ohne Zucker oder andere Zusatzstoffe auskommt. Auf diese Weise erhält der Rum in relativ kurzer Zeit ein ausgesprochen weiches und süßes Aroma. Anders als auf dem Etikett angegeben, wurde der Rum übrigens nicht nachgefärbt. Kleine Randnotiz: Die Flaschen werden von Hand abgefüllt, beschriftet und versiegelt – hier ist das Attribut „Craft“ ausnahmsweise also mal tatsächlich angebracht.
Tasting
Wie wirkt sich diese Vorgehensweise nun geschmacklich aus? In das Nase finden sich Aromen von Rosine, Holzwürze, Tabak, ein wenig Zimt und Gewürznelken –der Einfluss des Pedro Ximénez-Fasses ist unverkennbar. Dazu umschmeicheln weitere Fruchtnoten (Wildkirsche, Pflaume), Karamell, Butterkekse und Vanille die Nase. Im Mund ist der PX Cask Barbados unfassbar rund und gefällig – ich kann mich nicht daran erinnern, jemals einen vergleichbar sanften Rum im Mund gehabt zu haben: Eine schmeichelnde Textur, die an Nougat erinnert. Eine Süße, die perfekt eingebunden ist und gemeinsam mit den würzigen Aromen der Bajan-Grundierung eine harmonische Einheit ergibt. Erneut begegnen Trockenfrüchte, Karamell und zartbittere Holznoten, die schließlich in einem sanften Finish münden. Hier muss überhaupt nichts kaschiert werden, denn die beiden Ebenen – Süße und Würze – ergeben eine wunderbare Einheit. Dieser Rum ist perfekt ausbalanciert und von einer beeindruckenden Harmonie. All dies spricht für die hohe Qualität des Produkts und seiner verwendeten Komponenten.
Dos Maderas Selección: Gleicher Ansatz – gleiches Ergebnis?
Als kleines Experiment vergleichen wir abschließend den PX Cask Barbados mit dem Dos Maderas Selección. Aufschlussreich schon allein deshalb, weil beide Rums auf sehr ähnliche Weise hergestellt werden. Auch beim Dos Maderas Selección wird als Grundlage Rum aus Barbados (sowie Guyana) mit einem Alter zwischen fünf und zehn Jahren verwendet, auch er wird in Sherry-Fässern (u. a. Pedro Ximénez) nachgereift. Bei diesen Parallelen sollte sich auch ein ähnliches Ergebnis einstellen – oder?
Der Vergleich offenbart einen erstaunlich divergierenden Befund mit einem klaren Sieger: Wo der PX Cask Barbados mit handwerklicher Qualität punktet, lässt der Dos Maderas Selección die Harmonie des PX Cask Barbados vermissen. Der Sherry wirkt in der Nase zunächst überdominant und dämpft den Rum, ehe sich dieser zunehmend durch eine stechende Alkoholnote bemerkbar macht. Auch im Mund spürt man zunächst vordergründig den süßen Sherry, bevor erneut die Alkoholnote übernimmt und dabei metallisch an- und bitter ausklingt. Im direkten Vergleich zieht der Dos Maderas Selección eindeutig den Kürzeren. Sherry und Rum stehen unverbunden nebeneinander und ergeben kein Ganzes. Wo der Dos Maderas seine Süße einsetzt, um sprittige Noten zu übertünchen (ohne dies ganz zu schaffen), ergänzen sich die beiden Ebenen beim PX Cask Barbados und ergeben ein stimmiges Gesamtergebnis. Gerade in der Querverkostung zeigt der PX Cask Barbados seine Qualität und beweist, dass Süßrum durchaus handwerklich gut gemacht sein kann.
Fazit: Der perfekte Einsteiger-Rum
Der PX Cask Barbados stellt eine perfekte Kombination aus ultrasmoothem Sipper und seriösem Rum-Handwerk dar. Er ist zugänglich, aber nicht flach. Ein Rum, der perfekt für Einsteiger geeignet und dennoch anspruchsvoll genug ist, um auch von Fortgeschrittenen goutiert zu werden. Natürlich hat man hier kein übermäßig komplexes Destillat vor sich. Und ja: Auch hier findet eine additive Süßung statt – eben durch PX-Fässer anstelle von Zucker oder anderen Additiven. Wer sich aber nur halbwegs für Süße erwärmen kann, erhält einen unfassbar geschmeidigen Rum zu einem fairen Preis (und steckt sein Geld, nebenbei bemerkt, primär in die Qualität des Produkts statt in Marketing und Flaschendesign). Wenn Süßrum, dann bitte so!
Hinweis: Wir danken Conalco dafür, uns eine Flasche Dos Maderas Selección zur Verfügung gestellt zu haben.
Rum-Score: 85/100
N. Kröger PX Cask Barbados
Hallo Sebastian, ich bin beim stöbern auf eine Flasche des besagten „Rum“ gestoßen und habe festgestellt, dass die offizielle Verkehrsbezeichnung nicht Rum sondern Spirit Drink ist. Auch steht auf dem Etikett, dass der Rum nicht in Sherryfässern gelagert wurde, sondern lediglich mit Sherry in Eichenfässern. Wieso gibt es diesen großen Unterschied zwischen dem Artikel und den Herstellerangaben? Auch geschmacklich fällt die extreme Sherrynote und Süße auf, die nicht nur auf Sherryfässer zurückzuführen ist. Die Geschichte hat schon bei Zacapa keiner mehr geglaubt. Ich muss sagen, entweder hast du bewusst einen falschen Artikel geschrieben, oder aber sehr sehr schlecht recherchiert, wenn es schon am lesen des Etiketts scheitert. Vielleicht ist es ja auch deine Spirituose des Momats, mit Rum hat das ganze allerdings nichts zu tun. Sagt selbst der Hersteller.
Beste Grüße
Jan
Hallo Jan, vielen Dank für deinen Kommentar. Ich bin ein wenig erstaunt über das, was du schreibst. Ich zitiere aus dem Artikel:
Ich habe niemals behauptet, dass es sich um originäre Sherryfässer handelt. Sondern eben um Ex-Bourbonfässer, die in Deutschland mit PX-Sherry geimpft werden. Laut Nicolas Kröger (den ich dazu ausführlich befragt habe) werden die Fässer danach geleert und direkt im Anschluss feucht befüllt. Dadurch geben sie natürlich sehr viel mehr Süße ab als trockene Fässer. Den Vorwurf, ich hätte „bewusst einen falschen Artikel geschrieben, oder aber sehr sehr schlecht recherchiert“, finde ich daher nicht gerechtfertigt.
Dass der PX Cask Barbados auf dem rückseitigen Label als „Spirit Drink“ gekennzeichnet wird, finde ich im Sinne der Transparenz völlig in Ordnung. Andere Hersteller handhaben das nicht so, obwohl noch viel mehr getrickst wird. Ob ein Rum durch dieses Finishing seinen Rum-Status verliert – darüber kann man geteilter Meinung sein. Sehe ich allerdings nicht unbedingt so.
Viele Grüße
Sebastian
Hallo Sebastian,
dass die Fässer in Deutschland erst geimpft werden und dann noch feucht neu befüllt kann ich von deiner Seite noch nachvollziehen. Das machen viele und ist meiner Meinung nach auch nicht unbedingt verwerflich. Die Frage ist nur, warum sollte es als Spirit Drink vermarktet werden, wenn nur ein geringer Anteil an Sherry im Holz verbleibt, dazu vielleicht noch ein paar Tropfen im Fass? Außerdem steht auf dem Etikett ganz klar: gelagert mit Sherry, nicht etwa gelagert in Sherryfässern o. ä.. Allein diese beiden Punkte zeigen ganz klar eine Zugabe von Sherry. Selbst für den Laien zu erkennen. Dadurch darf es dann in der EU auch nicht mehr als Rum verkauft werden. Weshalb sonst sollte ein Produzent auch von der viel strikter reglementierten Kategorie Rum in die Kategorie Spirituose wechseln? Und wie du selbst schon mehrfach in Foren, bei Facebook oder auch auf deinem eigenen Blog geschrieben hast: den Aussagen von Produzenten insbesondere beim Thema Zusätze ist nicht immer Glauben zu schenken. Beispiele spare ich mir an dieser Stelle. Von daher musst du dich leider weiter meinem Vorwurf stellen: entweder schlecht recherchiert, wobei das hier das einfache Lesen des Etiketts meint, oder aber eine bewusste Falschaussage.
Beste Grüße
Jan
Moin Jan,
da ich der Produzent bin, nehme ich am besten mal selber Stellung zu dem Thema:
1. Sebastian hat nicht schlecht recherchiert, sondern die Informationen direkt von mir.
2. Es bleibt ja kein geringer Anteil an Sherry zurück. Holz ist ein extremes Speichermedium. Jeder der mal ein trockenes Fass angehoben hat, wird den Unterschied zu einem feuchten Fass schnell feststellen. Das Gleiche stellt man Fest, wenn man ein Fass vor der Benutzung befeuchtet. Die Menge an Flüssigkeit, die anschließend wieder heraus kommt, ist deutlich geringer.
3. Zur Verkehrsbezeichnung „Spirit Drink“:
Ich setze mich sehr aktiv für Transparenz in der Rum-Welt ein. Mir ist natürlich bewusst, dass mein PX-Cask deutlich gefälliger ist, als ein puristischer Barbados-Rum. Ich finde, dass sobald man etwas anderes mit dem Rum macht, als diesen aus Zuckerrohr zu brennen und anschließend in Fässern lagert, darf sich das ganze auch nicht mehr als Rum bezeichnen – auch nicht bei der „Höchstgrenze“ von 20g Zucker pro Liter. Irgendwelche Zusätze – ob durchs Fass wie bei mir oder Zuckerzugabe wie bei vielen anderen – erschaffen ein unfairen Wettbewerb. Das ist meine eigene Meinung. Der Unterschied hierbei zu den anderen: Ich mecker nicht nur über Dinge, sondern gehe mit gutem Beispiel voran.
Ich würde auch gerne eine andere Verkehrsbezeichnung benutzen, die etwas eleganter klingt, habe aber keine gefunden. Für Beispiele bin ich gerne offen.
4. Zum Thema „gelagert mit Sherry“:
Ich bin ja nicht nach Jerez gereist, habe mir dort ein paar Sherry-Fässer eingeladen und habe anschließend den Rum dadrin gelagert. Generell ist fast der komplette Sherry-Fass-Markt eine reine Lüge: Wo sollen denn bitte diese ganzen Fässer herkommen? Wer soll denn diesen ganzen Sherry saufen? Es handelt sich um Fässer, wo der Sherry mit Hochdruck ins Holz gepumpt wird und dann machen alle ein auf „Sherry-Fass“. Was soll denn das sein? Für mich ist das wie, wenn ich in ein Huhn Rinderbrühe gebe und dann sage es ist Rindfleisch.
Mir ist keine bessere Beschreibung eingefallen. Du scheinst ja recht gut mit Worten umgehen zu können – für bessere Formulierungen bin ich auch hier offen.
Liebe Grüße
Nicolas
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