Rhum J.M. XO

Rum des Monats Oktober 2019 | Test | Review

Rum-Review   •   1. Oktober 2019

Rhum Agricole – très fascinant!

Rhum Agricole mag in absoluten Zahlen ein Nischenprodukt sein, gleichwohl erfreut er sich – zumindest meiner Wahrnehmung nach – mittlerweile auch in Deutschland zunehmender Aufmerksamkeit. Der Rum in der französischsprachigen Schreibung zeichnet sich nicht nur durch ein zusätzliches „h“, sondern vor allem durch die Art der Herstellung aus: Statt Melasse wird frischer Zuckerrohrsaft als Ausgangsstoff verwendet. Um sich „Rhum Agricole“ nennen zu dürfen, muss der Rhum aus einem der folgenden Gebiete stammen:

  • Rhum de la Martinique France
  • Rhum de la Guadeloupe France
  • Rhum de la Réunion France
  • Rhum de la Guyane France
  • Rhum de sucrerie de la Baie du Galion France
  • Rhum des Antilles françaises France
  • Rhum des départements français d’outre-mer France
  • Ron de Málaga Spain
  • Ron de Granada Spain
  • Rum da Madeira Portugal

Quelle: EU-Verordnung Nr. 110/2008

 

Da es sich hierbei überwiegend um französisch(sprachig)e Gebiete handelt, spricht man bei Rhum Agricole häufig vom „französischen“ Stil – auch wenn in anderen Regionen der Welt ebenfalls Rum aus frischem Zuckerrohrsaft hergestellt wird. Dieser darf sich dann allerdings eben nicht Rhum Agricole nennen.

In ungereifter bzw. „weißer“ Form zeichnet sich Rhum Agricole durch ein frisches, grasig-mineralisches Aroma aus, das man als Neuling auch mit Obstbrand in Verbindung bringen könnte. In den französischen Übersee-Departements bildet ungereifter Rhum Agricole die Grundlage für Ti Punch Cocktails. Wird der Rhum hingegen in Holzfässern gereift, gewinnt er an Rundheit und Komplexität. Hinsichtlich der Altersangaben orientiert man sich an der Cognac-Klassifizierung und unterteilt gereifte Rhums Agricoles in VS (mindestens 2 Jahre), VSOP (mindestens 4 Jahre) und XO (mindestens 6 Jahre).

Martinique ist übrigens das einzige Rum-Gebiet der Welt mit eigener AOC (Appelation d’Origine Contrôlée). Sie garantiert hohe Qualitätsstandards, weshalb AOC-Rhum aus Martinique eigentlich immer eine gute Wahl ist. Marken wie Neisson, Rhum Depaz (siehe auch unser Review des Rhum Depaz XO), Clément, Habitation Saint-Etienne und Rhum J.M. genießen weltweit großes Ansehen und machen die Insel zum Mekka des Agricoles.

Zur Geschichte von Rhum J.M.

Rhum J.M. ist die älteste Destillerie auf Martinique, die bis heute in Betrieb ist. Im Jahr 1845 kaufte der französische Kaufmann Jean-Marie Martin ein Anwesen am Fuße des Vulkans Mont Pelèe im Norden der Insel Martinique. Im späten 17. Jahrhundert hatte Pére Labat dort eine Zuckerfabrik errichten lassen. Martin erkannte die hohe Qualität des Zuckerrohrs und beschloss, eine Rum-Destillerie zu gründen. Der Rhum trug seine Initialen – J.M. – woran sich bis heute nichts geändert hat. Ebenso bis heute stammt das Zuckerrohr komplett aus eigenem Anbau. Es wird auf den fruchtbaren vulkanischen Böden der „Habitation Bellevue“ kultiviert. Bei der Produktion hält man sich strikt an die Martinique AOC-Richtlinien – und übertrifft diese sogar. Während es vorgeschrieben ist, das Zuckerrohr innerhalb von drei Tagen nach der Ernte zu pressen, geschieht dies bei Rhum J.M. innerhalb einer Stunde. Die sofort anschließende Fermentation dauert zwischen 18 und 48 Stunden. Die Destillation erfolgt in kupfernen Column Stills (colonne traditionelle Créole). Der komplette Produktionsablauf inklusive Abfüllung erfolgt auf dem Anwesen.

Rhum J.M. XO – Tasting

Unser Rum des Monats, der Rhum J.M. XO, ist älteste Vertreter aus der regulären Range. Er reifte für mindestens 6 Jahre in Fässern aus amerikanischer Eiche (Ex-Bourbon), die zuvor ausgebrannt wurden. Die Reifung erfolgt vollständig tropisch. Der Alkoholgehalt des Rhums beträgt 45% vol.

Ein erstes Riechen am Glas macht unmissverständlich deutlich: Hier hat man keinen Allerwelts-Rum im Glas. Reichlich Holz und Kräuter (Lorbeer, Salbei, Thymian) strömen uns entgegen. Dazu eine sehr eigene Note zwischen Waschbenzin, Klebstoff und Pappe. Und etwas Pflanzliches mit Erde und trockenen Blättern – passt hervorragend in den Herbst. Noten von herben Äpfeln erinnern an Cidre oder Calvados. Der Rhum hat Kraft und Eleganz, ist allerdings kein Schmeichler. Wer noch nicht so viel Erfahrung mit R(h)um hat, könnte seine Schwierigkeiten haben. Hat man die herbe Wand durchdrungen, kommen immer mehr liebliche Noten durch: Williams-Birne, Fudge, Kräuterbonbons, Zimt und Toastbrot. Am Glas zu riechen macht definitiv Spaß, man kann sich lange mit dem Rhum beschäftigen. Und das sollte man auch, denn es gibt viel zu entdecken.

Am Gaumen ist der Rhum J.M. XO zugänglicher, als die Nase erwarten lässt: Zu schönen Fruchtnoten von Apfel, Birne und Dosenaprikosen gesellen sich Karamell und dunkler Zuckerrohrsirup. Dazu eine angenehm eingebunde Pfefferschärfe, Zimt, Muskat, Nüsse sowie eine robuste Erdigkeit und viel Eichenholz. Der Gesamtcharakter schwankt zwischen fruchtiger Süße und Spicyness. Ein großartig produzierter Rhum mit Eleganz und Balance, der mir am Gaumen fast noch besser gefällt als in der Nase.

Das Finish ist ausdrucksstark mit viel Eichenholz, Pfeffer, Minze und feuchter Erde. Auch hier hinter lässt der Rhum J.M. XO einen eleganten und spicy Gesamteindruck.

Fazit

Der Rhum J.M. XO ist ein erwachsener Rhum mit ausdrucksstarkem Profil. Als ersten Einstieg in die Welt des Rhum Agricoles würde ich ihn nicht unbedingt empfehlen, für etwas Fortgeschrittene hingegen auf jeden Fall. Gerade weil er auf Anhieb nicht so zugänglich sein mag wie andere Rums, lohnt sich die Beschäftigung umso mehr – er wird immer besser, je länger man sich mit ihm auseinandersetzt. Großartig ist übrigens auch das Aroma im Glas am „Morgen danach“. All dies zeugt von der hohen Qualität dieses eleganten Rhums, der erfreulicherweise dauerhaft und zu einem fairen Preis erhältlich ist.

Rhum J.M. XO
Rhum J.M. XO

Rum-Score: 86/100

Rhum J.M. XO

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