Ron 1914
Rum des Monats Mai 2018
Rum-Review • 1. Mai 2018
Oh, wie schön ist Panama
Das Jahr 1914 weckt aus europäischer Sicht keine sonderlich guten Assoziationen, markiert es doch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und damit eine Reihe von Katastrophen bisher nicht gekannten Ausmaßes. Einige tausend Kilometer vom Kriegsschauplatz entfernt wird im gleichen Jahr jedoch auch ein gigantisches Wunderwerk der damaligen Ingenieurskunst eröffnet: der Panamakanal. In den Wirren des beginnenden Krieges wird seine Eröffnung allerdings weitgehend von der Weltöffentlichkeit übersehen – sehr zur Missgunst des US-Präsidenten Theodore Roosevelt, der den Bau des Kanals maßgeblich unterstützte. Die 82 Kilometer lange Wasserstraße führt mitten durch das mittelamerikanische Land Panama hindurch und verbindet auf diese Weise den Atlantik mit dem Pazifik (die Los Angeles Times sprach damals vom „Wedding of the Oceans“). Bis heute gilt der Panamakanal als eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt.
Unser Rum des Monats im Mai 2018, der Ron 1914, stammt ebenfalls aus Panama und erinnert an die Eröffnung des Panamakanals vor einem guten Jahrhundert. Er möchte eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft schlagen und den Kanal als Symbol einer globalisierten Welt in den Blick bringen, dank der wir heute überall auf der Welt Rum genießen können. Der Ron 1914 wurde auf dem German Rum Festival 2017 in Berlin vorgestellt und fand dort großen Zuspruch. Er dürfte eine große Zahl an Rumfreund*innen ansprechen, da einerseits sehr zugänglich ist, andererseits mehr zu bieten hat als nur plumpe Süße. Der Rum im spanischen Stil wird in Las Cabras in der Provinz Herrera destilliert und enthält Destillate mit einem Alter zwischen 15 und stattlichen 22 Jahren. Der Blend aus leichten Column-Still- und schwereren Pot Still-Rums wurde in ehemaligen Bourbon-Fässern aus amerikanischer Weißeiche gereift und schließlich mit einem Alkoholgehalt von 41,3 % abgefüllt.
„Never judge a book by its cover“, heißt es im englischen Sprachraum. Dennoch muss man die ausgesprochen schöne Verpackung Ron 1914 hervorheben: Im Inneren einer mit Magnetverschlüssen versehenen Schachtel, die sich wie eine Schatulle öffnen lässt, wartet eine ansprechend gestaltete Flasche. Doch kann der Inhalt mit der schönen Verpackung mithalten?
Ron 1914 – Tasting
In der Nase strömen sofort Vanille- und Karamellnoten entgegen, die ein süßes Geschmackserlebnis vermuten lassen. Der Alkohol ist ein wenig zu dominant. Ein starker Akzent liegt auf den Holznoten der Ex-Bourbon-Fässer, was angesichts des Alters der Rums nicht verwundert. Die Würze geht dabei eine ansprechende Verbindung mit den anfangs erwähnten Vanillenoten ein. Daneben findet man Kakao, Leder, Zimt und Pfeffer. Unter der Würze liegen subtile Fruchtnoten (Orange, Pflaume).
Im Mund ist der Ron 1914 ausgewogen und harmonisch. Die Würze ist auch hier deutlich spürbar und umschmeichelt den Gaumen mit Zartbitternoten intensiven Kakaos, Karamell und einer leichten Schärfe. Erstaunlicherweise fällt der Rum ein gutes Stück trockener aus, als man zunächst erwartet. Dies deutet darauf hin, dass der Ron 1914 nicht so exzessiv gesüßt wird wie viele andere Rums spanischen Stils. Im mittellangen Finish kommen Nüsse und die ausklingenden Eichenaromen zum Vorschein.
Ich persönlich empfinde es als wohltuend, dass der Ron 1914 die Süße nicht so sehr in den Vordergrund stellt wie verwandte Rums à la Botucal. In allen Belangen ist der Ron 1914 ein Rum der Balance: mild und geschmeidig, nicht übermäßig komplex, aber auch keineswegs langweilig und flach. Er ist angenehm süß, aber nicht so pappig wie manch anderer Vertreter seiner Zunft. Alles in allem also ein schöner Sipping-Rum zum Entspannen, der weder über- noch unterfordert und seine Gefälligkeit nicht durch überzogene Tricksereien erreichen muss. Oh, wie schön ist Panama …
Rum-Score: 83/100
Ron 1914